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Von „Creative Aging“ bis „Wie viel Kindheit braucht der Mensch?“

Freiwilligendienstleistende blicken bei Thementagen am Bildungszentrum Wetzlar „in die Zukunft“: Kann man am eigenen Körper spüren, wie sich das Altern anfühlt? Verändert sich durch die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft mittelfristig auch die Kindheit? Und wie sieht die inklusive Schule der Zukunft aus? Diese und viele andere Fragen standen im Mittelpunkt der Vertiefungsseminare, die von Ende April bis Ende Mai 2019 am Bildungszentrum Wetzlar stattfanden.

„Krass, wie schwer es ist, ein Smartphone zu bedienen, wenn die eigenen Hände stark zittern“, bemerkt eine neunzehnjährige Freiwilligendienstleistende, deren BFD-Einsatzstelle ein Altenpflegeheim ist. Das Zittern kommt von Spezialhandschuhen, die mit einer (selbstverständlich ungefährlichen) Stromquelle verbunden sind. Andere Teilnehmende tragen Brillen, die das Sehvermögen stark einschränken, oder Bandagen, die das Beugen der Kniegelenke stark erschweren. Ebenfalls im Einsatz sind Spezialschuhe, die mit Gewichten versehen sind und jeden einzelnen Schritt im wahrsten Sinne des Wortes schwer machen. Das Ziel: einmal persönlich erleben, wie es sich anfühlt, wenn der menschliche Körper im hohen Alter nicht mehr so leistungsfähig ist wie bei jungen, fitten und gesunden Menschen. Neben der praktischen Alterssimulation setzten sich die Seminarteilnehmenden auch mit kreativen Konzepten der Demenzbetreuung auseinander und überlegten, wie ein vertrauter „Raum der Erinnerung“ gestaltet werden könnte, in dem sich eine Person wohlfühlen kann, deren Gedächtnis fortschreitend schwächer wird.

Weitere Schwerpunkte, die die Freiwilligen wählen konnten, waren die Themen „Inklusion an Schulen“, „veränderte Kindheit“, „Gesundheit und Ökonomie“, „Flucht und Asyl“ oder aber der „Umgang mit Traumatisierungen“. Auch bei diesen Themen ging es anschaulich zu: Wie es um die inklusive Bildung bestellt ist, konnten die Freiwilligen an verschiedenen Schulen im Rahmen von Exkursionen und vor Ort im Gespräch mit Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern erkunden. Dabei wurde deutlich, dass pauschalisierende Aussagen über das Gebot der Inklusion und seine Umsetzung wenig Sinn machen und stattdessen eine differenzierende Betrachtung wichtig ist: „Was an manchen Förderschulen an notwendiger und hilfreicher Unterstützung für körperlich oder geistig beeinträchtigte Schüler angeboten wird, kann definitiv nicht jede Schule leisten. Andererseits wäre es in vielen Fällen ausgrenzend, wenn zum Beispiel Schülern mit ganz unterschiedlichen Lernbehinderungen generell der Zugang zu Regelschulen verwehrt werden würde.“ So ein Exkursionsteilnehmer, der seinen BFD an einer integrativen Gesamtschule als Inklusionshelfer absolviert. Welchen Förderbedarf es in den nächsten Jahren voraussichtlich geben wird und wie beispielsweise das Land Hessen Lehrkräfte im Hinblick auf das Inklusionsgebot fortbildet, erfuhren die Teilnehmenden im Gespräch mit einem Vertreter der Hessischen Lehrkräfteakademie, den das Team des Bildungszentrums als Experten eingeladen hatte.

Mit der Funktionalität von Fitness-Apps, den Möglichkeiten und Grenzen der Selbstoptimierung aber auch mit den Grundzügen des deutschen Gesundheitssystems sowie mit der schwierigen Personalsi-tuation im Pflegewesen beschäftigten sich die Teilnehmenden des Workshops „Gesundheit und Ökonomie“.

Dass unsere heutige Vorstellung von Kindheit eine sehr moderne ist, war für manche Freiwillige überraschend, die an einem anderen Workshop teilnahmen. Anhand von Darstellungen aus der bildenden Kunst konnten unterschiedliche historische Konzeptionen von Kindheit erkannt und interpretiert werden. Einblicke in den Alltag einer modernen Kindertagesstätte, die grundsätzlich bilinguale Betreuung (in deutscher und englischer Sprache) und Öffnungszeiten bis 21 Uhr anbietet, gab die Leiterin des Kulturkindergartens der Lahn-Dill-Kliniken. Und im Gespräch mit der Lehrerin einer Fachschule für Erzieherinnen und Erzieher konnten die Freiwilligen gemeinsam einen Blick in die Zukunft dieses Berufsfelds werfen.

Besonders gefallen habe ihm, resümiert ein Freiwilliger aus Bonn, der wie die meisten anderen Teilnehmenden bereits die vierte Seminarwoche am Bildungszentrum Wetzlar besuchte, dass man auch über das eigene Tätigkeitsfeld viel Neues erfahren habe. Denn während der alltäglichen Praxis an der BFD-Einsatzstelle „hat man gar nicht immer die Zeit, sich auch mal ausführlich zum Beispiel mit der Gesamtsituation und den Hintergründen der Pflegebranche zu beschäftigen“.