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Der Faden der Demokratie

Wie es sich anfühlt, miteinander verbunden eine Seminarpause zu verbringen und was das mit Demokratie zu tun hat, erfahren Bundesfreiwillige bei einem Seminar der politischen Bildung am Bildungszentrum Herdecke. Was als bloßes Spiel beginnt, bildet die Grundlage für spannende politische Diskussionen über Freiheit, Verantwortung, Teilhabe und Gerechtigkeit.

Eine etwas andere Pause

Im Seminarraum ist die Stimmung locker, schließlich haben die Teilnehmenden bald Pause. Heute verläuft die Pause jedoch etwas anders. Die Teilnehmenden sollen sich überlegen, wie sie die kommende Pause verbringen möchten und ihre Wünsche auf einem Zettel notieren.

Anschließend werden die Teilnehmenden in Kleingruppen von circa 5 Personen aufgeteilt. Alle Teilnehmenden erhalten einen 1 Meter langen Faden. Nun werden die Teilnehmenden gebeten, sich mithilfe der Fäden als Kleingruppe aneinanderzubinden, sodass kein Gruppenmitglied mehr alleine unterwegs sein kann. Wenn die Kleingruppen miteinander verbunden sind (meistens als Kette, Kreis oder Stern), beginnt die 15-minütige Pause.

Abenteuer Freiheit – Herausforderung Gerechtigkeit!

Wenn sich alle Teilnehmenden wieder im Seminarraum befinden, werden die Fäden gelöst. Die meisten Kleingruppen stellen fest, dass sie sich zu Beginn gar nicht darüber unterhalten haben, in welcher Form sie sich als Gruppe miteinander verbinden wollen. Bei der Bedürfnisbefriedigung werden auch große Unterschiede festgestellt – nicht selten werden innerhalb derselben Gruppe 0% der Bedürfnisse einiger Teilnehmenden erfüllt und 100% der Bedürfnisse anderer Teilnehmenden. Dies bietet Anlass zur Diskussion: Welche Eigenschaften und Ressourcen sind erforderlich, um sich in einer Gruppe zu äußern und sich vielleicht sogar durchzusetzen? Was passiert mit den Menschen, die aus vielerlei Gründen diese Eigenschaften und Ressourcen nicht haben? Sind sie selber schuld? Oder liegt die Verantwortung eher bei der Gruppe, die sich darum bemühen sollte, alle Teilnehmenden aktiv zu beteiligen?

Warum mache ich eigentlich mit?

Bei der Reflexion der Übung werden auch ganz grundlegende Fragen gestellt: Warum macht jeder und jede Einzelne überhaupt mit? Hätte man die Pausenzeiten einfach überziehen sollen, um die Bedürfnisse aller zu befriedigen? Weshalb wurden die Grundregeln nicht insgesamt hinterfragt? Dabei entstehen spannende Diskussionen, die schnell über das konkrete Experiment hinausgehen. Gemeinsam erarbeitet die Gruppe, wann Regeln und Gesetze sinnvoll sein können und wie diese gestaltet sein sollten, um einen guten Rahmen für ein gesellschaftliches Zusammenleben zu gestalten. 

Dies wirft wiederum die Frage nach individuellen Handlungsoptionen auf, wenn wir mit Regeln oder Gesetzen konfrontiert sind, mit denen wir nicht einverstanden sind. Die Teilnehmenden sammeln gemeinsam mögliche Wege der Einflussnahme:  Von der Entscheidung in der Wahlkabine über ein politisch geprägtes Konsumverhalten , Gespräche mit politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern bis hin zu Petitionen oder Beschwerdeschreiben – die Möglichkeiten sind vielseitig. Am Ende sind sich die Teilnehmenden einig: So ein kleiner Faden kann doch viel auslösen und anstoßen – und eine Pause so zu einer spannenden Lernerfahrung werden.