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Kunst als Sprache

Angetan von einem Statement des chinesischen Künstlers Ai WeiWei, machten sich Bundesfreiwillige des Bildungszentrums Herdecke auf in die Landeshauptstadt Düsseldorf, um die dortige Ausstellung mit dem Titel „Wo ist die Revolution?“ anzuschauen.

Angekommen im K21 Ständehaus, der Kunstsammlung NRW, beeindruckte dort die Darstellung der 81-tägigen Inhaftierung, die WeiWei nach seinen Forschungen zu einem verheerenden Erdbeben in der südwestchinesischen Provinz Sichuan 2011 ertragen musste. Während seiner Recherche fand er heraus, dass an vielen öffentlichen Gebäuden Pfusch am Bau betrieben wurde. Über 5000 Schulkinder verloren so ihr Leben, 70.000 Menschen insgesamt. Im K20, dem „Mutterhaus“ der Kunstsammlung NRW, wurde dementsprechend die monumentale Installation mit dem Titel „Straight“ gezeigt. Stahlstangen aus den Schuttresten des Erdbebens wurden hierfür über drei Jahre lang gesammelt und aufwendig wieder geradegebogen. An Särge erinnernde Holzkisten reihten sich großflächig im Ausstellungsraum auf, in denen die Stangen aufbewahrt werden.

In seiner Kunst kombiniert der Kunstschaffende gern traditionelles Handwerk mit modernen Bezügen. Einige der Exponate zeigten chinesisches Porzellan mit zeitgenössischen Motiven. Die Visualisierung von Individuum und Masse zu einem Thema arrangiert, stellten 60 Millionen Sonnenblumenkerne angehäuft auf einem Feld dar. Säuberlich abgesteckt, wird so der enge gesellschaftliche Rahmen und gewünschte Norm seitens des politischen Systems aufgezeigt. Aktuelle Geschehnisse in der Sonderverwaltungszone Hongkong in den letzten Jahren zeigen auf, das die jüngere Generation andere Vorstellungen von Politik und Gesellschaft hat.

„Alles ist Kunst, alles ist Politik“

In der politischen Bildung hatten sich die Bundesfreiwilligen bereits mit nationaler und internationaler Pressefreiheit in Zeiten der Digitalisierung beschäftigt, so dass der Künstler mit seiner aktiven Nutzung der Social Media Kanäle den Seminarteilnehmenden sehr sympathisch erschien. Vier Jahre lebt er nun bereits im Exil in Deutschland. Als sehr gefragter Mann ist WeiWei jedoch auch oft weltweit unterwegs. Die staatliche Zensur des Internets in China umgeht er durch sein digitales Geschick, indem er weltweit die Öffentlichkeit an seinem Leben teilhaben lässt. Detailliert wird der Tagesablauf auf Instagram und Twitter gepostet, Jahre zuvor auch ein aktives Blog (2006-2009), welches von der chinesischen Regierung verboten wurde. Weiterführend macht Ai im medialen Rahmen auf nationale und internationale Missstände, gesellschaftliche Abhängigkeiten und Zusammenhänge aufmerksam. Zuletzt machte er durch seine Kritik an der selbstzentrierten deutschen Wirtschaftspolitik auf sich aufmerksam. Zu sehr werde dabei ignoriert, dass China die Menschenrechte missachte.

Überwachung und Kontrolle

Einleitend zu unserer Seminarwoche fand eine persönliche Meinungsabfrage zur Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland statt. Einige der jungen Teilnehmenden hatten bereits an Demonstrationen gegen Rechtspopulismus oder der Bewegung „Fridays for future“ teilgenommen, so dass auf Grundlage der unterschiedlichen Ansichten eine aktive Diskussion entstand. Mithilfe der Plattform „Reporter ohne Grenzen“, verschafften wir uns danach einen Überblick über die globale Situation. Gruppenarbeit stand zur Bearbeitung der Nahaufnahme zur Lage in Deutschland auf dem Plan, die viele der Teilnehmer im Vorfeld als positiver eingeschätzt hatten. Während der Reflexion stellte sich heraus, dass bezüglich der Lage innerhalb Deutschlands eine andere Erwartungshaltung vorgeherrscht hatte, speziell die Auswirkungen des Verschwinden vieler lokaler Tageszeitungen auf die Vielfalt im Meinungsbildungsprozess stimme nachdenklich.

Die Mediennutzung der Einzelnen betrachtend (Metaplantechnik), machten wir uns gemeinsam über Bildschirmnutzungszeiten und gefühlt verbrachte Zeit an Smartphones und anderen Endgeräten Gedanken. Auffallend war auch hier die weitere Bereitschaft, persönliche Daten offenzulegen und für Dritte zugänglich zur Weiterverarbeitung zur Verfügung zu stellen. Zwar wurde auch Kritik an der Datennutzung geübt, auch eigene Bequemlichkeit in Frage gestellt, doch es überwiege der individuelle Nutzen der jeweiligen Angebote zum eigenen Vorteil, so die Großzahl der jungen Bundesfreiwilligendiensleistenden. Dass sowohl bereitwillig Fingerabdrücke zur Entsperrung der Handys zur Verfügung gestellt werden, Sprachanalysen durch die vermehrte Nutzung von Sprachnachrichten ermöglicht werde, und man auch Gesichtserkennung hierfür in Kauf nähme, kam im Laufe von Diskussionen zum Vorschein.

Dies führte uns zum Themenbereich der Totalüberwachung und zum Social Scoring System in China (Videoclips | Internet). Eigenes Nutzungsverhalten, die vielzähligen Profile der Seminarteilnehmer im Bereich Social Media und installierte Apps, deren Nutzungsbedingungen nur in seltenen Fällen kritisch hinterfragt werden oder unbekannt sind, zeigten auf, dass auch in Deutschland ein ausgebautes Überwachungssystem denkbar sei. Die Instrumentalisierung sozialer Normen und Werte (Plenumsdiskussion) als erweiterte Grundlage und Legitimierung des Überwachungsstaates erschien vielen immer noch als Science Fiction, da Demokratie in Deutschland herrsche und man auf eine Mehrzahl an Gegenstimmen zur Erweiterung der Überwachung vor Ort hoffe. Die Argumentationslinie innerhalb der deutschen Regierung, den angestrebten Ausbau im Bereich der Kameraüberwachung und Gesichtserkennung zur Eindämmung und Vermeidung von Terroranschlägen nutzen zu wollen, wurde daher kritisch in Frage gestellt.

Die Ausstellung in Düsseldorf zum Abschluss unserer Seminarwoche hinterließ einen durchweg positiven Eindruck bei allen Beteiligten.